Milton Erickson (1901 – 1980), Psychologe und Arzt, war einer der einflussreichsten Therapeuten des vergangenen Jahrhunderts. Er verstand Hypnose als einen kooperativen Prozess, als eine spezielle Kommunikationsform. Dabei spricht der Therapeut die bewussten und unbewussten Anteile des Klienten an, um alle Ressourcen für eine gute Lösung der Probleme zu nutzen.
„Wenn ich zu jemandem auf der bewussten Ebene spreche, so erwarte ich, dass er mir ebenso auch auf der unbewussten zuhört“ (Milton Erickson*).
In diesem komplexen und ganzheitlichen Lösungsansatz werden sprachliche, nichtsprachliche und kinästhetische Techniken eingesetzt.
Kennzeichen dieser modernen Art der Hypnose ist die Etablierung und Nutzung von Tranceprozessen. Unter Trance verstand Erickson einen anderen Bewusstseinszustand, der sich deutlich von dem Wachzustand oder von Schlaf abgrenzt. Dieser Trancezustand soll therapeutisch genutzt werden, um unbewusste Lösungsmöglichkeiten zu aktivieren. Der Therapeut fördert den Lösungsprozess durch verschiedene therapeutische Techniken (u.a. Trancesprache, Suggestionen, Metaphernarbeit, Geschichten, Verschreibungen von Aufgaben). Der Klient reagiert assoziativ. Das bedeutet, innere Bilder, Gesten, Gefühle, Suchprozesse werden ausgelöst. Auf diese Weise kommt der Klient zu einer anderen Sichtweise seiner Probleme, kann seine gewohnten Reaktionsmuster unterbrechen und neue Reaktionen etablieren.
Ein wesentliches Prinzip hypnotherapeutischer Arbeit ist die Utilisation. Unter dem Utilisationsprinzip kann man verstehen, dass in der therapeutischen Arbeit das nützt und genutzt wird, was der Klient mitbringt, in vielen Fällen sogar auch die Symptome. Der Blick richtet sich auf die Fähigkeiten, die den Klienten auszeichnen, und diese Fähigkeiten spielen in der Therapieplanung eine wesentliche Rolle.
Hypnose ist ein Prozess von Kooperation, auch wenn es anders aussehen mag. Trancen wirken verändernd, wenn der Klient aktiv beteiligt ist. Suggestionen sind vor allem dann effizient, wenn sie für den Klienten verständlich, eingängig und plausibel sind, seinen Bezugsrahmen erweitern und Erfahrungen in vielen Sinnesbereichen einschließen. Erickson war ein maßgeblicher Erneuerer der Hypnotherapie. Er verstand Hypnotherapie nicht als einen Prozess, bei dem der Therapeut aktiv ist und der Klient passiv geschehen lässt, sondern als ein kooperatives Miteinander.
In diesem Sinne ist die Hypnotherapie nach Erickson als ressourcenorientierter, kooperativer und wachstumsorientierter Ansatz zu verstehen.
Hypnotherapie in der Anwendung
Seit 2006 ist Hypnotherapie durch den wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie anerkannt. Die hypnotherapeutische Arbeit lässt sich hervorragend mit anderen psychotherapeutischen Verfahren kombinieren (u.a. mit Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierter Therapie, Systemischer Therapie). Sie bietet einen anderen Zugang zum Klienten und erweitert das Handlungsspektrum.
Beispielhafte Anwendungsbereiche sind psychische Faktoren bei körperlichen Erkrankungen (Tinnitus, Morbus Crohn, weitere), Nikotinabhängigkeit, Schmerzen, somatoforme Störungen, Ängste und Phobien, Traumafolgestörungen, Schlafstörungen, Depressionen, Lernstörungen, Stärkung des Selbstbewusstseins, Stressverarbeitung.
Einen guten Überblick über den breiten Anwendungsbereich bekommt man in den deutschen Standardwerken von Kossak (HYPNOSE. Erschienen bei Beltz PVU) und Revenstorf (HYPNOSE IN PSYCHOTHERAPIE, PSYCHOSOMATIK UND MEDIZIN. Erschienen bei Springer).
(*) Zitat aus: Erickson, M.H.; Ernest Lawrence Rossi E.L. (2011). Hypnose erleben: veränderte Bewusstseinszustände therapeutisch nutzen. Stuttgart, klett-cotta.